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Hoffnung auf mehr Mut in der Branche 17.02.2022

Zu den Grundideen und Funktionen des CONTENTshift-Accelerators gehört, digitale Innovationen in der Buchbranche voranzutreiben und Akteur:innen in verschiedenen Bereichen miteinander zu connecten. Doch wie sieht das in der Praxis aus? Isabella Caldart hat nachgefragt.


Sabine Haag, Managing Director beim Verlag Wiley-VCH, 2020 und 2021 Jurorin, und Stefanie Penck, Verlagsleiterin der Gruppe teNeues, dieses Jahr in der Jury, geben Einblicke in ihre Arbeit und ihre Hoffnungen, die sie an den CONTENTshift-Accelerator und an die teilnehmenden Start-ups haben.

Sabine Haar, Wiley-VCH

Sabine Haag, Wiley-VCH ©privat

Als Jurorin während der zwei Pandemiejahre fand die Juryarbeit für Haag zwar nur im digitalen Raum statt, trotzdem nimmt sie einiges aus dieser Arbeit mit. „Man ist so in der eigenen Welt verankert und hat viel zu selten Zeit für verlagsferne Dinge. Es war schön, mit anderen Verlagen und den anderen Juroren ins Gespräch zu kommen“, fasst sie zusammen. Insbesondere die teilnehmenden Start-ups haben sie beeindruckt. „Es steckt so viel Energie und Leidenschaft dahinter, wie sie Ideen entwickeln. Da ein bisschen mitzuhelfen, indem man ihnen den Weg ebnet und die Richtung weist, Tipps gibt und Kontakte ermöglicht, war eine schöne Erfahrung.“ Aber auch für ihren Alltag bei Wiley war die Juryarbeit inspirierend. „Grundsätzlich ist für uns wichtig zu sehen, wie der Markt sich entwickelt und wie andere Verlage agieren.“

Mögliche Kooperationen mit Start-ups

Ähnliche Erfahrungen hat auch Stefanie Penck gemacht, die zuvor schon Teilnehmerin war bei protoTYPE, dem Vorgänger von CONTENTshift. „Mir persönlich hat das mehr Perspektive und Weitblick gebracht. Es war eine unheimlich kreative Zeit, ich habe viele Leute kennengelernt“, rekapituliert sie. Damals kam zwar kein weiterführendes Projekt zustande, das könnte sich dieses Jahr aber ändern, immerhin gehört teNeues zum Handelsunternehmen Weltbild, für das eCommerce wichtig ist. Die Infrastruktur, um zukünftig mit Start-ups zu kooperieren, ist also vorhanden. Und die Möglichkeiten, wie diese Kooperation aussehen könnte, sind vielfältig. Ob Content, Vertrieb oder Endkundenansprache – das Feld ist so breit, dass Penck auf viele neue Impulse hofft. Natürlich benötige teNeues nicht „händeringend Partner der digitalen Welt“, sagt sie mit einem Lachen. „Es ist aber immer gut, dicht am Geschehen zu sein und zu schauen, welche Ideen es gibt.“ Es sei unmöglich, alle Ansätze und Strömungen auf dem Schirm zu haben. „Vielleicht ist etwas dabei, das wir abgewandelt auch für uns verwenden können.“

Stefanie Penck, teNeues

Stefanie Penck, teNeues ©privat

Die Herausforderung der Buchbranche, sich der immer wandelnden Welt nicht nur anzupassen, sondern auch wirklich innovativ zu sein, ist für teNeues um einiges größer als für konventionelle Publikumsverlage. Schließlich ist man spezialisiert auf hochwertige Bildbände, schwere physische Produkte mit spezieller Haptik, da ist die adäquate digitale Präsentation oft eine besondere Herausforderung. „Wir brauchen eine attraktive Erweiterung des Contents, und zwar so, dass diese der Attraktivität des Buchs nicht entgegenwirkt, sondern diese verstärkt, daher kommt ja der Umsatz“, erläutert Stefanie Penck das Problem. Es brauche ein Modell, mit dem die Besonderheit der Bücher digital vermittelt werden könne. „Das muss mehr sein als Social Media. Das ist gut und wichtig, aber die Präsentation auf einem kleinen Handy-Screen hat nicht den gleichen Wow-Effekt, den wir in Buchhandlungen erzielen. Umgekehrt kann Social Media mit unseren Büchern und Fotografen Menschen erreichen, die nicht in Buchhandlungen gehen und neue Türen öffnen“, fügt Stefanie Penck hinzu. Dazu kommt, dass teNeues – wie auch Wiley – international arbeitet, die Inhalte also auf andere Märkte übertragbar sein müssen, wenn es um die Sprache geht ebenso wie um Gegebenheiten vor Ort. Innovationen und zündende Ideen sind also essentiell.

Hier könnten Start-ups des CONTENTshift-Accelerators weiterhelfen. Idee ist, nicht nur den Sieger (beziehungsweise die Sieger – im vergangenen Jahr wurden mit READ-O und BotTalk gleich zwei Start-ups ausgezeichnet) zu fördern und mit ihm zu kooperieren, alle nominierten Start-ups sind von Interesse für die Verlagswelt. Wiley zum Beispiel möchte mit Buuk, einer Software für SEO und Metadatenmanagement, eine Kooperation starten. „Ich habe das Start-up beim Accelerator in Sachen Coaching und Mentoring unterstützt“, sagt Haag. Auch wenn am Ende andere Newcomer den CONTENTshift-Accelerator 2021 gewonnen haben, wird Wiley-VCH im deutschsprachigen Dummies-Team die SEO-Software ab März vorerst für ein Jahr nutzen und so die Auffindbarkeit der Produkte steigern. Die Möglichkeit einer Kooperation mit Wiley sieht sie auch bei Day Off, mit dem Soft Skills dank täglicher Challenges trainiert werden können.

Mehr Mut in der Branche

Generell hoffen beide Frauen auf mehr Mut in der Branche, wenn es um digitale Innovationen geht. „Wichtig ist, ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem elektronischen Geschäft, zwischen Content und Tools, und dem klassischen Buch, zu dem ich neben dem gedruckten Produkt natürlich auch E-Books zähle“, erläutert Sabine Haag. „Dass sich noch nicht so viel tut, liegt auch am Mindset“, meint Stefanie Penck. „Man lebt im Elfenbeinturm, das ist einfach so. Die Menschen, die mit dem Buch arbeiten, sehen das als elitäres Gut.“ Die Buchbranche sei eine sehr komplexe Branche mit einem verwobenen Netzwerk und teils eingefahrenen Systemen.

Aller Grund, das zu ändern: Es gilt, die Segmente miteinander zu verknüpfen, die Tradition mit der Onlinewelt. „Das eine geht nicht ohne das andere“, sagt Haag mit Nachdruck. Penck sieht das ähnlich. Das Problem: „Wir sind noch mit angezogener Handbremse unterwegs. Es gibt keine Technikfeindlichkeit, aber Unsicherheiten. Die muss man lösen, und deswegen ist es gut, dass es ein Format wie den CONTENTshift-Accelerator gibt, um das voranzutreiben.“ Wichtig ist, offen und neugierig zu sein, was das Digitale angeht. Und zu schauen, was sich andere Unternehmen und Start-ups einfallen lassen, um zu lernen und miteinander zu kooperieren – damit am Ende alle davon profitieren.


Text: Isabella A. Caldart


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