Freude auf Holländisch: Das Start-up Immer.App aus Utrecht wurde beim diesjährigen CONTENTshift-Accelerator ausgezeichnet. Gründer Niels ‘t Hooft erzählt im Interview, wie seine Erfahrung war.
Gefeliciteerd! Über eine Prämie von 10.000 Euro, ein tolles Coaching und neue Kontakte in die deutschsprachige Buchbranche konnten sich Niels ‘t Hooft und sein Team freuen: Ihre Immer.App, die ein Gamechanger für digitales Lesen auf kleinen Endgeräten sein könnte, ist das Start-up des Jahres beim CONTENTshift-Accelerator 2022. Die Immer.App setzte sich dabei gegen 38 weitere Start-ups aus insgesamt drei Kontinenten durch.
Das Geschäftsmodell von Immer sei „überzeugend, nachvollziehbar und durchaus disruptiv für die Branche“, sagte Jurysprecherin Stefanie Penck (TeNeues Verlag) über diese Entscheidung. Im Rahmen des CONTENTshift-Accelerators habe das Team eine „beeindruckende Lernkurve“ durchlaufen. Vor allem aber hofft man auf einen Mehrwert für die gesamte Buchbranche, weil die App „anstelle von bislang bekannten Textwüsten neue, sinnvolle Texteinheiten“ biete, die gut konsumierbar seien. „Wir können uns außerdem gut vorstellen, dass die Informationen, die sie innerhalb ihrer App über das Leseverhalten sammeln, auch als Input für unsere Branche sehr hilfreich sein werden.“
Neben der Immer.App hatten sich die Start-ups ACTitude, Enna und Heimsafari für die Endrunde des CONTENTshift-Accelerators 2022 qualifiziert. Zur diesjährigen Jury gehörten neben Penck auch Detlef Büttner und Leif Göritz (Lehmanns Media/Thalia Buchhandlung), Olaf Carstens (Cornelsen Verlag), Stephan Dietrich (Junfermann Verlag), Nina Hugendubel und Per Dalheimer (Hugendubel Buchhandlung), Wolfgang Pichler (MANZ Verlag und Buchhandlung), Ronald Schild (MVB), Peter Kraus vom Cleff (Börsenverein) sowie Deepa Gautam-Nigge (SAP Next-Gen Innovation Network) als branchenexterne Partnerin des Programms.
Lieber Niels ‘t Hooft, was haben Sie sich von Ihrer Teilnahme beim CONTENTshift-Accelerator erhofft?
Das ist am Anfang natürlich immer schwer zu sagen. Wir hatten zuvor nicht wirklich vom CONTENTshift-Accelerator gehört und fanden dann heraus, dass es auch für nicht-deutsche Start-ups möglich ist, sich zu bewerben. Unsere Hoffnung war, potentielle Kunden, Verlage und Player kennenzulernen und mehr über die deutsche Buchbranche zu erfahren. Auf die anderen Teilnehmenden und die Jurymitglieder waren wir ebenfalls sehr gespannt.
Was haben Sie aus dem Workshop des CONTENTshift-Accelerators mitgenommen?
Der Workshop im September in Frankfurt ging fast eine Woche lang, und er hat uns geholfen, uns in der Entscheidung zu bestärken, unseren Fokus mehr auf die technologischen Aspekte der Immer.App zu legen. Wir haben angefangen mit der Idee, eine App zu kreieren, in der Bücher an Kunden verkauft werden sollen, aber es ist die Technologie, die uns wirklich einzigartig macht: Ein nützliches Tool, das von jedem Unternehmen oder jeder Institution eingesetzt werden kann, die ihren Kunden/Nutzern Langtexte zur Verfügung stellt, um die Art und Weise zu verbessern, wie diese Menschen auf ihren digitalen Geräten lesen. Während der Workshop-Woche hatten wir interessante Gespräche, die uns dabei geholfen haben, die richtige Richtung einzuschlagen. Das ist eine große, ein wenig angsteinflößende Veränderung, und deswegen waren wir erst etwas zögerlich. Wir haben aber viel von den Mitgliedern in der Jury und den Coaches gelernt, die uns dabei geholfen haben, diesen Shift zu machen – CONTENTshift ist also der perfekte Name!
Haben Sie damit gerechnet, den CONTENTshift-Accelerator 2022 zu gewinnen?
Es ist schwierig einzuschätzen, was die Jury als wichtig erachtet. Enna zum Beispiel hat ein gutes Produkt für ältere Menschen entworfen und eine neue Zielgruppe erschlossen, und sie auszuwählen hätte Sinn gemacht, auch weil sie schon sehr weit in ihrer Entwicklung sind. Johannes Wöhler von Heimsafari ist ein richtig netter Mensch, der sehr wissbegierig ist und für den die 10.000 Euro einen großen Unterschied bedeutet hätten. Deswegen hätte sich die Jury auch für ihn entscheiden können. Dass es die Immer.App geworden ist, hat uns sehr gefreut. Wir liefern eine Lösung, um besser auf kleinen Bildschirmen lesen zu können, womit wir die Art, wie Menschen lesen, nachhaltig verändern werden. Es war schwierig, das einzuschätzen. Die Jury hat sich bereits am Dienstag getroffen, uns aber erst am Donnerstag gesagt, wer gewinnen würde. Wir haben zwei Tage lang versucht, irgendwelche Hinweise zu bekommen. (lacht)
Was passiert für Sie jetzt als nächstes?
Wir sind gerade dabei, Fonds von Investoren zu bekommen, und wir hatten auf der Frankfurter Buchmesse auch einige interessante Meetings. Man weiß natürlich nie, wie am Ende dabei herauskommt, aber bisher sieht alles sehr gut aus. Diese Auszeichnung ist sehr hilfreich für uns, um Investoren zu überzeugen, weil sie der externe Beweis ist, dass wir etwas Wertvolles entwickelt haben. Ende der Woche geht es zu einer Konferenz nach San Francisco, wo wir auch über die Auszeichnung sprechen werden. Als weitere Schritte werden wir uns mit Kunden in Kontakt setzen, die vier verschiedenen Typen entsprechen: Schulen, digitale Buchhandlungen, Büchereien mit E-Books-Ausleihe und professionelle Leser wie zum Beispiel Anwälte, die viele Texte lesen müssen. Für all diese Anwender werden wir dann eigene Piloten entwerfen.
Text: Isabella A. Caldart
Bilder: vntr.media